Mitarbeiterbindung
01.04.2020|12 Minuten Lesezeit

Mitarbeiterbindung: Die besten Maßnahmen

Identifikation und Bindung der Belegschaft nachhaltig steigern

Gunther Wolf
Verfasst von: Gunther Wolf
Mitarbeiterbindung
01.04.2020|12 Minuten Lesezeit

Wer seine Mitarbeiterschaft dauerhaft zu hoher Leistung und kontinuierlicher Weiterentwicklung motivieren und zudem fest ans Unternehmen binden will, muss sich heute einiges einfallen lassen. Welche Maßnahmen zur Verbesserung von Mitarbeiterbindung, Identifikation und Arbeitgeberattraktivität sind zielführend? Und welche kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes sparen?

Die Relevanz des Personals für den Geschäftserfolg steigt unaufhörlich, sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht. Unternehmen, die ihre Wettbewerbsposition auch in Zukunft halten oder sogar stärken wollen, müssen die steigenden Herausforderungen von Industrie 4.0 und Digitalisierung erfolgreich bewältigen. Als ob das nicht schon genug der Herausforderungen wäre, beschert uns der demografische Wandel auch noch einen zunehmenden Fachkräftemangel.

Selbstverständlich war gutes Personal schon immer wichtig. Mit unmotivierten Mitarbeitern wird es uns kaum gelingen, Kunden langfristig zu gewinnen, hohe Produkt- bzw. Servicequalität zu liefern sowie Aufträge termin- und kostengerecht zu erfüllen. Wir brauchen innovative, kompetente und engagierte Mitarbeiter, die sich mit unserem Unternehmen identifizieren. Und wir müssen als Arbeitgeber attraktiv sein, um weitere, leistungsbereite Bewerber anzuziehen.  

Gunther Wolf im Interview:

Attraktivität ist spielentscheidend

Doch der Arbeitsmarkt ist schon heute so gut wie leergefegt. Ganz schlimm wird es aus Arbeitgebersicht, wenn man Schlüsselkräfte mit den benötigten Digitalkompetenzen sucht. Der Wettbewerb schläft auch am Arbeitsmarkt nicht: Fast jeder stellt mittlerweile Körbe mit frischem Obst und Wasserspender bereit, mancher wartet mit Kickertisch, Chillout-Lounge und Fitnessraum auf, andere setzen auf hohe Gehälter und Boni. Und Sie? Was sollten Sie tun?

Eine Frage, die Sie sich nur unternehmensindividuell und selbst beantworten können. Was woanders richtig gut ankommt, kann in Ihrem Betrieb ein krasser Flop sein. Viele Arbeitgeber kopieren einfach die Maßnahmen all ihrer Arbeitsmarktwettbewerber und legen sich ein buntes Arsenal an Mitarbeiterbindungsmaßnahmen zu. Doch viel nützt nicht immer viel: Solch ein Sammelsurium vermittelt dem Bewerber kein klares und kein attraktives Bild.

Apropos Bild, englisch Image: Gehen Sie die Steigerung von Mitarbeiterbindung, Identifikation und Arbeitgeberattraktivität lieber strukturiert und systematisch an. Entwickeln Sie zunächst eine klare Arbeitsmarktstrategie und schaffen Sie ein klares Ziel-Arbeitgeberimage, mit dem Sie künftig Bewerber anziehen wollen. Zweifellos richten sich alle Maßnahmen zur Steigerung von Mitarbeiterbindung und Identifikation nach innen, auf die bestehende Mitarbeiterschaft. Aber alles, was Sie hier tun, können Sie nutzen, um damit attraktiver nach außen zu werden, mit Blick auf die anvisierten Bewerber-Zielgruppen.

Tue Gutes und rede darüber!

Wir sollten also wissen, worüber wir im Personalmarketing reden und wen wir anziehen wollen, bevor wir uns entscheiden, welche Mitarbeiterbindungsmaßnahmen die für uns optimalen sind. Wer seinen Standort im ländlichen Bereich vorwiegend mit berufserfahrenen Mitarbeitern im Familiengründungsalter besetzen möchte, wird vielleicht zu Maßnahmen im Bereich der Familienfreundlichkeit greifen. Falls Sie ein hippes Startup in einer Metropole betreiben und frischgebackene Hochschulabsolventen suchen, könnte Ihre Entscheidung ganz anders ausfallen.

Mitarbeiterbindungsmaßnahmen am Zielimage ausrichten

Mit einer am Ziel-Arbeitgeberimage orientierten, systematischen Vorgehensweise setzen Sie eine sehr profitable Wirkungskette in Gang, mit der Sie zugleich den Return on Investment Ihrer Mitarbeiterbindungsmaßnahmen sichern. Denn erstens zieht hohe Mitarbeiterbindung eine Reduzierung von Weggängen und Wiederbeschaffungskosten nach sich. Zweitens steigt bei einem hohen Grad an Identifikation die Leistungsbereitschaft, die Motivation und die Performance der Belegschaft. Drittens verschaffen die Mitarbeiterbindungsmaßnahmen dem Personalmarketing die Grundlage für großartiges Storytelling sowie die nötige Authentizität. Viertens wirkt das Arbeitgeberimage positiv auf Bindung und Identifikation zurück, da Mitarbeiter üblicherweise sehr stolz darauf sind, bei einem attraktiven Arbeitgeber zu arbeiten.

Immer ein Gewinn

Fünftens und last, aber sicher not least, wirkt sich all das enorm positiv auf den Jahresüberschuss aus. Welche Mitarbeiterbindungsmaßnahmen sind dabei besonders wirksam? Es gibt rational wirksame Maßnahmen, wie beispielsweise Gehalt, Zuwendungen und Benefits. Andere sprechen tiefer gelegene, nicht rationale Ebenen an. Hier stechen besonders diejenigen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen positiv heraus, die auf der emotionalen Ebene wirksam werden.   

Emotional geprägte Bindungen zeichnen sich durch zwei bedeutsame Wirkungen aus: Einerseits durch den Wunsch, dass diese Bindung möglichst lange erhalten bleibt. Andererseits durch die Bereitschaft, sich in besonders hohem Maße für den Bindungspartner einzusetzen. Mitarbeiter, die sich ihrem Arbeitgeber kaum verbunden fühlen, weisen beispielsweise durchschnittlich doppelt so viele Fehlzeiten auf wie emotional hoch verbundene. Emotionale Bindung beruht darauf, dass die beiden Bindungspartner hinsichtlich ihrer Werte und Ziele zu einem hohen Grad übereinstimmen. Wenn Sie die emotionale Mitarbeiterbindung stärken wollen, sollten Sie hier gezielt ansetzen.

Eine weitere, nicht rational wirksame ist die behaviorale Mitarbeiterbindungs-Ebene. Sie beschreibt eine Bindungsform, die aus dem individuellen Wunsch nach Beibehaltung von Gewohntem entsteht. Wer hier etwas tun möchte, schafft Rituale und fördert Vernetzungen innerhalb der Belegschaft. Normative Mitarbeiterbindung wiederum beruht primär auf Verpflichtungsgefühlen, die sich z. B. durch Investitionen in die Fortbildung des Mitarbeiters steigern lassen.

Das Mitarbeiterbindungsklavier hat 16 Tasten

Neben den vier Ebenen sollten Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen, welche Bindungsbezüge gestärkt werden sollen. Bindungen sind immer gerichtet, auch Mitarbeiterbindung bildet da keine Ausnahme. Aber auf was? Auf das Unternehmen, Arbeitsaufgaben, Vorgesetze oder Kollegen?

So entstehen 16 mögliche Handlungsfelder: 4 Ebenen mit je 4 Bindungsbezügen. Wenn Sie damit befasst sind, Mitarbeiterbindungsmaßnahmen zu entwickeln: Analysieren Sie alle 16 Felder unter der Fragestellung, in welchem bei Ihrer Belegschaft der größte Bedarf besteht.

4x4-Matrix zur Ableitung wirksamer Mitarbeiterbindungsmaßnahmen

Wer sich dieser Aufgabe stellt, erkennt schnell: Wie relevant das jeweilige Feld für die Bindung des Mitarbeiters ist, hängt von dessen individuellen Persönlichkeitsdispositionen ab: Der eine ist besonders offen für behaviorale Bindungen zu Teamkollegen, der andere schätzt rational die Vorzüge des Unternehmens, der dritte findet sich emotional in seinen Arbeitsaufgaben wieder. Bindung ist eben – nicht nur im Privatleben – eine sehr individuelle Angelegenheit. Auf welchem Feld der höchste Bedarf und damit die höchste Wirksamkeit gegeben ist, kann nur auf individueller Ebene ermittelt werden. Wer ist für diese Aufgabe besser geeignet als der direkte Vorgesetzte? Er muss den jeweiligen Mitarbeiter ja ohnehin sehr gut kennen, weil er ihn zu führen und zu motivieren hat.

Führung ist Mitarbeiterbindung

Die Personalabteilung hingegen kann Mitarbeiterbindungsmaßnahmen üblicherweise nur gleichverteilen. Ob Betriebskindergarten, Klimaanlage, Büroeinrichtung, Weihnachtsfeiern, wertiges Kantinenessen, betriebliches Gesundheitsmanagement oder Altersversorgung – all diese Maßnahmen sind nur per Gießkanne verteilbar. Damit kann der HR-Bereich maximal einen gewissen Grad an Mitarbeiterzufriedenheit erreichen, indem er berechtigte Erwartungen der Belegschaft erfüllt oder wahrgenommene Defizite ausgleicht. Die Methode der Wahl zur Ermittlung passender Mitarbeiterbindungsmaßnahmen ist die Befragung der Mitarbeiterschaft.

Begeisterung, verstanden als besonders hoher Grad an Mitarbeiterbindung auf individueller Ebene, kann das Personalmanagement mit Gießkannen-Maßnahmen jedoch nicht erreichen. Begeisterung entsteht durch Übertreffen von individuellen Erwartungen. Um Begeisterung zu erzielen, müssen kreativ Ideen für unerwartete und zugleich individuell zugeschnittene Maßnahmen entwickelt werden. Das gelingt nur demjenigen Vorgesetzten, die den betreffenden Mitarbeiter sowie dessen Freizeitaktivitäten, Wünsche und Lebensumstände sehr gut kennt.

Mitarbeiterbindung: Jetzt anpacken

Was HR aber leisten kann, ist eine bindungsorientierte Führungskräfteentwicklung. Dazu gehört im ersten Schritt, die Erkenntnis bei der Führungsmannschaft zu erzielen, dass starke, individuelle Mitarbeiterbindung primär eine Führungsaufgabe ist. Und die Versorgung der Vorgesetzten mit Tools wie der 4x4-Matrix, gekoppelt mit einem intensiven Training der Führungskräfte zur Ermittlung der individuell optimalen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen.

Linktipp: 500 Mitarbeiterbindungsmaßnahmen als Inspirationsquelle oder zum Weiterdenken

Das Führungsverhalten ist der häufigste Grund für mangelnde Mitarbeiterbindung, geringe Identifikation, niedrige Motivation, hohe Fehlzeiten und starke Fluktuation. Emotionale Bindungen beruhen auf übereinstimmenden Werten und Zielen.
Kennt der Vorgesetzte die Werte und Ziele seiner Mitarbeiter? Bemüht er sich darum, eine Übereinstimmung mit Unternehmenszielen und -werten zu schaffen? Weiß er um die Motive und Bedürfnisse seiner Mitarbeiter? Lässt er Schlüsselkräften mit erfolgskritischen Kompetenzen ausreichend Freiräume für eigene Entscheidungen? Führt er sein Team wertschätzend und auf Augenhöhe?
Wenn Sie jetzt nicht fünf Mal guten Herzens mit "Ja" geantwortet haben, wissen Sie, wo Sie ansetzen müssen.

Checkliste


1. Analyse durchführen

  • Ist-Zustand erheben: Wie ist der Status Quo der Mitarbeiterbindung in unserem Unternehmen? Wie ist der Bindungsgrad innerhalb der Belegschaft verteilt?

  • Ist-Zustand analysieren: Wie ist der Status Quo bei bestimmten Zielgruppen, wie bezüglich der Bindungsebenen, wie bezüglich der Bindungsbezüge? Wie hoch ist die Fluktuationsquote? Wie lang ist die durchschnittliche Verweildauer? Welches sind fluktuationsbegünstigende Aspekte? Welche Fluktuationsgründe werden von Weggehenden, welche von deren Kollegen genannt? Welches Image haben wir derzeit als Arbeitgeber?

  • Benchmark durchführen: Wie stellt sich unsere Arbeitgeberattraktivität gegenüber vergleichbaren Unternehmen dar? Wie gegenüber unseren bedeutsamsten Arbeitsmarkt-Wettbewerbern?

2. Strategie festlegen

  • Auswirkungen monetär bewerten: Welche Kosten entstehen durch mangelnde Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität? Wie werden sich unsere Fluktuationskosten zukünftig entwickeln, die Personalgewinnungskosten, wie der Time-to-Fill und damit die Kosten entstehender Vakanzen

  • Prognose abgeben: Wie wird sich der für uns relevante Arbeitsmarkt verändern? Mit welchen Szenarien ist intern und extern zu rechnen? Wann sind welche personalbestandskritischen Punkte in der Zukunft zu erwarten? Wie werden sich hierdurch die o.g. Kosten verändern?

  • Soll-Zustand definieren: Welches ist der unter Rentabilitätsgesichtspunkten optimale Zustand von Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität für unser Unternehmen? Welches ist unser Ziel-Arbeitgeberimage?

3. Projektmanagement spezifizieren

  • Budget festlegen: Welche Mittel stehen zur Vermeidung der ergebnisrelevanten Kosten zur Verfügung?

  • Qualität definieren: Welchen Nutzen erwarten wir von dem Arbeitgeberattraktivitäts-Projekt und von den einzelnen Mitarbeiterbindungsmaßnahmen? Welche KPI verwenden wir für das Controlling von Projekt- und Maßnahmenerfolgen?

  • Projektdauer ermitteln: Welche Zeitschiene ist einzuhalten?

4. Maßnahmen umsetzen

  • Befragung durchführen: Welche Maßnahmen wünschen sich unsere Mitarbeiter?
    Befragung auswerten: Welche Maßnahmen versprechen die beste Kosten-Nutzen-Relation im Hinblick auf die Mitarbeiterzufriedenheit? Welche stärken unser Ziel-Arbeitgeberimage in der Außenwirkung?

  • Führungskräfte befragen: Besteht bei unseren Führungskräften ein ausreichendes Bewusstsein darüber, dass Mitarbeiterbindung eine nicht delegierbare Führungsaufgabe ist? Welche Maßnahmen erzielen bei den hoch erfolgskritischen Kräften die beste Kosten-Nutzen-Relation?

  • Maßnahmen nutzen: Welche Maßnahmen transportieren wir auf welchen Kanälen im Personalmarketing nach außen?

5. Erfolgscontrolling

  • Projektcontrolling: Wurde die Budget-, Qualität- und Zeitvorgabe eingehalten? Wie haben sich die festgelegten KPI verändert (z.B. Fluktuationsquote bei Spitzenkräften, Grad der Mitarbeiterbindung, Ausprägung der Arbeitgeberattraktivität etc.)

  • Maßnahmencontrolling: Welche Maßnahmen haben zu welchen Verbesserungen geführt? Welche werden intensiviert, welche eingestellt oder langsam zurückgefahren?

Die gesamte Checkliste haben wir für Sie hier noch einmal im praktischen pdf-Format zum kostenfreien Download zusammengestellt.

 

Buchtipp

Wolf, Gunther: Mitarbeiterbindung. Strategie und Umsetzung im Unternehmen.

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Managementbuchpreis.
Mit Arbeitshilfen online.

„Gunther Wolf gibt zahlreiche Anregungen und Praxisbeispiele, wie Mitarbeiterbindung gelingen kann. Seinem Buch sind viele Leserinnen und Leser zu wünschen.“ Christian Lindner MdB

Mit 70 Gastbeiträgen von Mario Ohoven, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. F. J. Radermacher, Prof. Dr. Armin Trost, Dr. Gregor Gysi, Christian Lindner, Robindro Ullah, Boris Grundl, Anne M. Schüller, Sahra Wagenknecht, Prof. Dr. Thomas Schwartz, Volker Bouffier, Ralf R. Strupat, Annegret Kramp-Karrenbauer, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Simon, Andreas Buhr u.v.m.  

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